11. Richard Brautigan beendet die Kindheit

 
 
He said he felt like
he had seen and done everything.
John F. Barber
»Ich kann ihn nirgendwo sehen.«
»Ich glaub, er ist gegangen.«
»Vielleicht ist er nach Hause.«
Richard Brautigan, Ende einer Kindheit, S. 135
Dies sind die letzten drei Zeilen aus Richard Brautigans letztem Buch »So the Wind Won't Blow it All Away« von 1982. Am 25.Oktober 1984 wird Richard Brautigan in seinem Haus in Bolinas, Kalifornien, tot aufgefunden. Er hat eine Schußwunde, neben ihm liegt eine Pistole.
He was, I believe, fatally disappointed over the lack of acclaim for his books, especially his most recent »So the Wind Won't Blow it All Away«. He said that novel had been in his head for 17 years and that he worked very hard to write it. When it was not accepted and acclaimed by the critics or the reading public he felt misunderstood and alienated.
John F. Barber, Richard Brautigan - An Annotated Bibliography, S. 5
In »So the Wind Won't Blow it All Away« geht es nur um ein Thema: Um den Tod. Ein Junge mit etwas Geld in der Tasche entscheidet sich für Patronen statt für einen Hamburger. Beim Herumballern auf einer Obstplantage verletzt er aus Versehen seinen Freund mit einem Gewehrschuss tödlich.
 
Ungefähr eine Minute, bevor sie ankamen, war ich an der Stelle, an der sie am Ufer des Teiches ihre Möbel aufbauen würden.
Während die Minute vorbeigeht, die sie noch brauchen, bis sie mit ihren Möbeln hier sind, gibt es eine große UNTERBRECHUNG, einen Einschnitt wie ein nasses schwarzes Titanic-Telegramm oder wie einen Anruf, der so klingt wie ein Mann, der um Mitternacht mit einer Kettensäge einen Friedhof zerlegt, oder einfach die brutale Ablenkung durch den Tod selber, das Ende aller Kindheiten, auch das meiner eigenen Kindheit, das in dem Augenblick einsetzte, in dem ich an einem verregneten Nachmittag 1948 an dem Restaurant vorbeiging, wo ich doch hätte hineingehen und mir einen Hamburger und eine Cola kaufen sollen. Und ich hatte doch Hunger. Der Hamburger und die Cola wären eine willkommene Ergänzung meiner Existenz gewesen.
Es gab keinen einzigen Grund, warum ich an dem Restaurant vorbeigehen und ins Schaufenster des Waffengeschäftes nebenan schauen sollte. Aber genau das tat ich, und die Würfel würden bald fallen.
Richard Brautigan, Ende einer Kindheit, S.75, Eichborn
Ob der tödliche Unfall auf einem tatsächlichen Kindheitserlebnis beruht, ist nicht klar. Keith Abbott erwähnt, dass Richard Brautigan mal eine ähnliche Geschichte in einem Gespräch erzählt hat, aber ob diese auf eigenem Erleben oder Hörensagen beruht, ist nicht mehr herauszufinden.
Die Umstände von Richard Brautigans Tod könnten ebenfalls auf einen Unfall mit einer Schusswaffe hindeuten, doch hier ist Keith Abbott sicher: Richard Brautigan hat seinen Selbstmord systematisch vorbereitet.
I talked to some of his friend in San Francisco ... Several only knew that Richard told them not to come looking for him in Bolinas, since he was definitely returning to Montana. ... The fact that he carefully told Becky Fonda in Montana that he was not returning indicates the design for his suicide. And his last act before leaving Montana - giving Tom McGuane a wrapped package containing a funeral urn and telling him he'd have instructions when this was needed - can't be more clear. While in Bolinas, Brautigan made a phone call to a book dealer about selling off his manuscripts, claiming that he wanted to set up a trust fund for his daughter.
Keith Abbott, Downstream from trout fishing in America, S. 139
Ist das nun das Ende von Richard Brautigan? Nein, eine Erdbeere hab ich noch, die zwölfte: Richard Brautigan spielt für immer