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Einige Tage im April
Alles schmiert wie eingepackt. Der Faden ist gestruktet,
das große Leuchten macht Fliegerlust. Nur dieser jammernde Krabbler
da unten glitzert mir am Strukt.
Was ist das? Ein Schatten hinter der Scheinhochflach, größer
als jeder Trillflieger, zentriert in seiner Höhle. Und dieser Jammerkrabbler:
jetzt geht er die Hochflach hinter mir hinauf. So kommst du nie in dein
Gefeucht. Na, los. Spring doch! Mein Fadenstrukt kriegst du nicht kaputt.
Schwilb! Da knallt er auf die Untenflach. Der hat doch einen Fadenriss.
Hör auf zu jammern! Ups, die Scheinhochflach schwingt auf. Aus der
Höhle ragt ... der Schatten ist ein Schwabbelbirg! Oh Schmiererfaden,
das übersteigt alle Vorstellung. Es kommt auf mein Fadenstrukt zu,
immer näher, noch näher ...
Was ist? Ist es geflogen? Es schwabbelt hinter mir, mein Fadenstrukt ist
unverrisst. Ha! Das Schwabbelbirg frisst den Krabbler. Nein. Es stößt
den Jammerer in sein Gefeucht. Doch jetzt dreht es sich um! Ach, mein
schmierend Fadenstrukt. Vielleicht wird es ... Ja! Das Schwabbelbirg fliegt
über mich hinweg. Doch es bleibt und schwabbelt sich vor mir zusammen.
Ich kann nicht mehr hinsehen ...
Das Schwabbelbirg ist weg, die Scheinhochflach geschlossen. Das hält
der stärkste Faden nicht aus. Sobald das große Leuchten nicht
mehr ist, hol ich den Faden rein und spuck ein neues Strukt, auf dass
dies Schwabbelbirg es nicht mehr überfliegt.
*
Das große Leuchten beginnt. So eine Spuckerei, bin noch ganz ausgefadet
vom neu geschaffenen Strukt. In der Höhle hinter der Scheinhochflach
tut sich nichts. Na dann: ihr Fliegerlein klebet.
Großer Fadenriss! Das Schwabbelbirg hinter der Scheinhochflach rührt
sich. Oh, nein, die Scheinhochflach schwingt wieder auf. Es kommt heraus,
es kommt auf mich zu. Kappt jetzt mein letztes Fädlein? Es schwabbelt
sich zusammen. Oh, klebriger Faden, es nähert sich, nähert sich.
Es hat Seher! Größer als ein Krabbler! Glitzernd wie ein Fadenstrukt
im großen Leuchten! Die Seher nähern sich, noch näher.
Frisst es mit den Sehern? Ooooh, ich bin steif wie ein Flieger frisch
eingefad ... Ah. Das Schwabbelbirg reckt sich groß und schwabbelt
weg. Die Scheinhochflach schließt sich. Ich lebe! Aber beim Schmiererfaden,
nach dem großen Leuchten such ich mir was Neues. Dies ist kein Platz
für ein friedliebendes Fadenleb.
17. April 2002
Heute flogen die ersten noch grünen Flatternüsschen von des
Nachbars Ulmen auf den Balkon. Damit sie den Abfluss nicht verstopfen
und wie letzes Jahr (-> 13. Mai 2001) eine Überschwemmung verursachen,
dichtete ich das Gitter über dem Abflussrohr mit einer durchlöcherten
Folie ab - und das obwohl ich kein Dichter bin! (Wortspiel bei Veröffentlichung
eventuell streichen.) Nun kommen die dort lebenden Asseln weder hinein
noch hinaus. Indes, ich kann es nicht allen recht machen.
18. April 2002
Eine Spinne hat sich des Balkons bemächtigt. Ihr Netz reicht von
der Armlehne des Gartenstuhls bis zum Balkongeländer, teilt den
Balkon in zwei Hälften – Nord und Süd. Das Wetter ist angenehm,
aber nicht warm genug für eine Lesestunde an der Natur. Mag sie
dort harren.
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Am Nachmittag beobachtete ich eine Assel: sie kletterte die Südwand
des Balkons hinauf. Plötzlich fiel die Assel herunter und lief
verzweifelt um das Gitter herum, fand jedoch keinen Weg hinein. Ich
bekannte mich zu meiner Verantwortung und half ihr heimwärts, obwohl
das Netz im Wege war. Ich stieg hinüber, hob das Gitter und schubste
die Assel in den Abfluss.
Ist so viel Rücksichtnahme nicht schon lächerlich? Ich weiß
es nicht. Nur weil man der Stärkere ist, muss man diese Stärke
ja nicht missbrauchen. Stärke, die für unbestrafte Rücksichtslosigkeit
eingesetzt wird, ist doch in Wirklichkeit eine Schwäche. (Diesen
Gedankengang vielleicht essayistisch ausformulieren?) Zurück stieg
ich wieder über das Netz und schaute mir die Spinne an. Es handelte
sich um eine gemeine Kreuzspinne - Araneus diadematus.
19. April 2002
Die Spinne hat ihr Netz verlegt! Als ich heute morgen auf den Balkon
schaute, schwebte sie einen halben Meter weiter links in der Luft. Ich
nahm an, sie hätte das Netz parallel zum alten gesponnen, habe
mir indes keine Gedanken darüber gemacht, wo sie es verankert hatte.
Natürlich konnte das nur Zufall sein, doch am Nachmittag machte
ich eine schockierende Entdeckung. Die Fäden glitzerten in der
Sonne und ich sah: Das Netz war schräg von der Armlehne zum seitlichen
Geländer gebaut. Der Weg zum Abflussgitter war frei!!!
Ich ging auf den Balkon, bückte mich hinunter zur Spinne und betrachtete
sie aus allergeringster Entfernung. Doch eine Antwort auf die Frage,
ob ihre Handlung wirklich dem Zufall entsprang, erhielt ich nicht.
Wie beispielhaft wäre dies für das Zusammenleben von Mensch
und Tier, wenn ihr Umzug als Reaktion auf mein rücksichtsvolles
Verhalten am Vortag gewertet werden könnte! Bedauerlicherweise
gibt es keinen Beweis für diese These. (Verbleib dieser Spekulationen
sollte mit dem Lektor vor Veröffentlichung geklärt werden.
Man kann sich leicht lächerlich machen mit solchen Dingen.)
20. April 2002
Spinne und Netz sind fort, doch die Zweifel meinerseits bleiben.
Anmerkungen:
"Einige Tage im April" war die erste Geschichte nach einer langen Schreibpause. Die ersten beiden Versionen hatten noch den klassischen "Bäckerblume"-Stil einer selbst erlebten Geschichte. Erst als ich der Übung halber die Perspektive wechselte, begannen die Ideen zu fließen. |
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