Zwei Jahre Rot-Weiß
 
• Regionalliga 2000/2001
Teil 1: heißes Essen
 
• Zweite Liga 2004/2005
 
 

 

 

 
2000/2001-Teil 1: heißes Essen
 
Die Regionalliga Nord startet mit 19 Vereinen in die Saison 2000/2001. Die beiden Erstplatzierten steigen in die zweite Liga auf. Je nach Zahl der Nordabsteiger aus der zweiten Liga werden vier bis fünf Mannschaften absteigen.
 
1. TB Berlin - RW Essen 2:0
2. RW Essen - Sachsen Leipzig 3:1
3. Erzgebirge Aue - RW Essen 1:0
Tabellenstand
Nach 3 Spieltagen liegt RWE mit 3 Punkten auf Platz 12.
 
4. Spieltag: RWE-Fortuna Köln, 19.08.2000
Z wie Zivilcourage
RWE hat tolle Fans. Wer jemals auf der überdachten Gegengeraden im Georg-Melches-Stadion gestanden hat, der weiß: Essen ist die Hölle. Die Stimmung ist phantastisch. Nur bei einigen Leuten wird man den Verdacht nicht los, dass die Stimmung auch bei einem brennenden Asylbewerberheim phantastisch wär. Oben unterm Dach stehen zu viele Leute mit Haarwuchsproblemen und einseitigem Modegeschmack. "Asylanten" ist der Lieblingskampfruf vieler RWE-Fans, wenn sich gegnerische Spieler daneben benehmen. Auch das dumpfe "Sieg" wird von da oben mit einem leisen, aber nicht überhörbarem "Heil" garniert.
Gegen Fortuna Köln kamen 5.800 Zuschauer, und wer ist schon Fortuna Köln. Ganze 50 Fortunen-Fans knubbelten sich auf der Gästetribüne. "Hurra, das ganze Dorf ist da", heißt das bei den RWE-Fans. Anscheinend ein Reflex, der aus der furchtbaren Erfahrung "Oberliga Nordrhein" von vor zwei Jahren erhalten geblieben ist.
Vor mir stand ein braungebrannter Mittvierziger, Schnäuzer, RWE-Schal, mit 'nem Bier in der Hand. Das Spiel war nicht besonders. Die Stimmung trotzdem toll, und RWE rettete das 1:0 von kurz nach der Pause gegen zehn Mann bis zum Ende. Wenn die Fans ihre Mannschaft mit "Kämpfen, Rot-Weiß, kämpfen" anfeuern müssen, bei eigener Führung, mit einem Mann mehr, dann sagt das einiges über das Essener Spiel, aber auch über das Gespür der Fans.
Der Schiedsrichter war mittelmäßig, doch als er sich mit einer Allerweltsfehlentscheidung einen "Jude, Jude"-Sprechchor einfing, schrie mein Vordermann "Arschlöcher!" nach oben, und der Mann hatte 'ne gut geölte Stimme.
Nichts passierte. Es erschien keine Glatzenabordnung, um ihn aufzumischen. Niemand klatschte ihm Beifall. Auch bei der nächsten "Fehlentscheidung" kamen wieder die "Jude, Jude"-Sprechchöre und der Typ konterte mit seinem "Arschlöcher!".
"Mir geht datt auf die Nerven", sagte er zu seinem Nebenmann, als der ihm beruhigend auf die Schulter klopfte, "die Juden waren anständige Geschäftsleute. Datt is' alles Mist, watt man über die erzählt."
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4. RW Essen - Fortuna Köln 1:0
5. SV Babelsberg 03 - RW Essen 0:0
Tabellenstand
RWE ist Achter mit 7 Punkten und 4:4 Toren.
 
6. Spieltag: RWE-Preußen Münster, 03.09.2000
Zwei Stürmer
Das Sturmduo bei RWE heißt zur Zeit Sascha Wolf und Ulf Raschke. Sascha Wolf ist der kleine Star. Trotz dunkler Vergangenheit (Schalke) laufen viele RWE-Fans mit seinem Trikot durch die Gegend. Ulf Raschke ist ein Malocher-Stürmer: groß, bullig, ein Kämpfer.
Am Tag als Preußen Münster in Essen vor 10.000 Zuschauern unterging, hatte Sascha Wolf Geburtstag. 29 wurde er und versenkte standesgemäß in der 55. Minute einen Kopfball im Preußen-Tor zum vorentscheidenden 2:0. Damit war für ihn der Tag gelaufen: Er turnte mehrmals im Abseits rum, verlor einen Ball, blieb einfach stehen und trottete ein paar Mal beim Zurücklaufen der Münsteraner Abwehr hinterher. Einmal drang er mit dem Ball in den Strafraum ein, ließ einen völlig frei stehenden Mitspieler links liegen und versemmelte den Ball lieber selbst.
Etwa zehn Minuten vor Schluss wurde Sascha Wolf von Trainer Berge ausgewechselt unter dem üblichen Stakkato-Klatschen der RWE-Fans. Sprechchöre folgten. Schließlich gab's noch ein "Happy-Birthday"-Geburtstagsständchen. Und dann war die Bahn frei für Ulf Raschke.
In den letzten Minuten spielten die Preußen mit zehn Mann volles Risiko und ermöglichten den Essenern ein paar Riesenchancen. In der 88. Minute machte der Münsteraner Torwart bei einer Ecke einen Ausflug in den Essener Strafraum. Sein schwacher Kopfball wurde von einem Essener rausgehauen und landete bei Ulf Raschke. Der stürmte halbrechts los, schoss aus 40 Metern auf das leere Tor: der Ball flog, die Münsteraner rannten, der Ball rollte, die Münsteraner liefen, und rollte und liefen und rollte und liefen, und einen Meter vor der Torlinie fing ein Münsteraner den Ball ab.
Schon einmal Mitte der zweiten Hälfte war Ulf Raschke von der Mittellinie aus mit dem Ball am Fuß drei Münsteranern davon gelaufen, aber an Torwart Melka gescheitert. Dies schien nicht sein Tag zu sein - bis zur 90. Minute. Wieder tauchte er frei vor dem Münsteraner Tor auf, aber diesmal machte er alles richtig, tunnelte Melka und das Ding war drin.
Sascha Wolf hat viele Sympathien bei den RWE-Fans, doch als Ulf Raschke endlich, endlich, endlich sein Tor machte, da explodierte das Georg-Melches-Stadion.
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6. RW Essen - Preussen Münster 3:0
Tabellenstand
RWE ist mit 10 Punkten aus 6 Spielen Sechster.
 
7. Spieltag: Fortuna Düsseldorf - RWE, 08.09.2000
Klare Fortunen-Niederlage
Vor 7.000 Zuschauern trennten sich am Freitag abend im Düsseldorfer Rheinstadion Fortuna Düsseldorf und Rot-Weiß Essen 0:0. In einem temporeichen Spiel mit einigen Torchancen für beide Mannschaften mussten sich jedoch die Fortuna-Fans 0:3 geschlagen geben.
Schon die Vorbereitungsphase ließ Böses für die Fortunen ahnen. Im Internet-Forum von Fortuna Düsseldorf reichte nach zwei peinlichen 0:1 Niederlagen das Spektrum der Beiträge von der Forderung, den Verein aufzulösen bis zur verzweifelten Frage "Warum tun wir uns das immer wieder an?". Die Gefahr eines Auswärtsspiels im eigenen Stadion angesichts von fünf- bis siebentausend erwarteten RWE-Fans ließ die Stimmung weiter sinken. Doch vielleicht war es gerade diese Herausforderung, die Donnerstag abend den Umschwung brachte. Die Beiträge wurden kämpferischer, die Fortuna-Fans feuerten sich gegenseitig an, kampflos wollte man sich nicht ergeben. Schließlich versprach die große Zahl an Essener Fans auch etwas Atmosphäre ins Stadion zu bringen.
Zunächst kam es nicht so schlimm wie befürchtet. Etwa 3.000 RWE-Fans machten zwar ordentlich Dampf, aber das Rheinstadion ist groß, so dass die Fortunen unbeeindruckt ihre Mannschaft anfeuern konnten. Dass die Heim-Fanschaft trotzdem die erste Halbzeit verlor, war auf eine gewaltige Energieleistung der RWE-Fans zurückzuführen, die etwa ab der 25.Minute einen einzigen Spruch mit einer einzigen Melodie 15 Minuten am Stück in voller Lautstärke durchzogen. Diesem Dauerdruck hatten die Düsseldorfer nichts entgegenzusetzen.
Die zweite Halbzeit begann für die Fortuna-Fans vielversprechend. Zehn bis fünfzehn Minuten lieferten sie den Essenern dank der Unterstützung vom Rasen einen harten Kampf, doch dann rächte sich die schlechte Vorbereitung. Man kann seine Mannschaft nicht mit "Rot-Weiß" anfeuern, wenn der Gegner Rot-Weiß Essen heißt, selbst wenn das seit 100 Jahren die Düsseldorfer Farben sind. Schlimmer jedoch war das völlige Unverständnis für die gegnerische Spielanlage. Der Schlachtruf "Ruhrpottkanaken" ist für einen Essener Fan keine Beleidigung, sondern ein Ehrentitel, der schon lange zum Essener Fan-Programm gehört. Zur Zeit ist "Wir sind die Essener, die asozialen Essener" ein noch beliebterer Standard. So bekamen die Essener Spieler von beiden Seiten die gewohnte Unterstützung und waren entsprechend motiviert. Damit ging auch die zweite Halbzeit klar an die RWE-Fans, die zudem an Ausdauer und Lautstärke die eindeutig bessere Fanschaft stellten.
Das I-Tüpfelchen auf die Fortuna-Niederlage setzte wiederum ein Düsseldorfer selbst. Kaum war die Straßenbahn zwei Stationen weit geruckelt, kotzte er völlig unbedrängt vom Gegner seine drei Liter Altbier aus. Und wenn selbst ein Düsseldorfer sein Alt nicht mehr bei sich behalten kann, wer dann?
Dieses Eigentor in der Nachspielzeit machte den 0:3-Endstand perfekt. Für die Düsseldorfer Fans brechen schwere Zeiten an. Neben den bekannten Defiziten wie ein schwer zu beschallendes Stadion mit einem deplazierten Stadionsprecher, der eher in die Tanzbundesliga passt als in die erdige Regionalliga, fehlt es zur Zeit mit drei Spielen ohne Torerfolg auch an der Unterstützung vom Rasen. Trotzdem müssen sich die Fortunen an die eigene Nase packen. Wer sich mehr mit sich selbst als mit dem Gegner beschäftigt, darf sich nicht wundern, wenn er ganz schnell gegen den Abstieg singt, und ob die Düsseldorfer dafür die richtigen Fan-Typen haben, darf nach der Vorstellung gegen Essen bezweifelt werden.
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7. Fortuna Duesseldorf - RW Essen 0:0
8. RW Essen - Werder Bremen Am. 3:1
Tabellenstand
Nach dem achten Spieltag erreicht RWE mit Platz 3 die höchste Platzierung der Saison.
 
9.Spieltag: BVB Am. - RWE, 24.09.2000
Vorbemerkung: Dieses Spiel fand einen Tag nach dem Bundesliga-Derby zwischen BVB und Schalke statt, bei dem sich Dortmund zu Hause eine 0:4-Klatsche einfing.
Essen auf Rädern
Im Georg-Melches-Hexenkessel brodelt in dieser Saison ein Süppchen, das die Gäste so heiß auslöffeln müssen, wie's gekocht wird: 4 Gänge, 12 Punkte, 10:2 Tore stehen auf der Karte. Doch wenn Essen unterwegs isst, dann gibt's nur lauwarme italienische Kost: 0:2, 0:1, 0:0, 0:0. Eine geschmacklose Serie.
Beim Ausflug zur guten alten Pommes-Bude "Stadion Rote Erde" sollte das gegen die BVB-Amateure anders werden. 2.500 Essener hatten Kohldampf auf Pommes rot-weiß mit Currywurst dreipunktgewürzt. Wenn nicht in Dortmund, wo dann sollte es was Scharfes hinter die Kiemen geben?
Doch der Ausflug stand unter keinen guten Vorzeichen. Das Wetter war eher nach Abhängen im Biergarten als zum Stehen in der Pommes-Bude. Der Himmel über dem Westfalenstadion in unmittelbarer Nachbarschaft strahlte in einem unverschämten Blau - weiß auch nicht warum. Zudem musste Essen auf seinen Feinschmecker im Mittelfeld, Andrej Polunin, verzichten. Auch dass der Dortmunder Amateur-Chefkoch bekannt dafür war, Beton in die Soße zu kippen, verhieß nichts Gutes.
Die Partie lief dann tatsächlich sehr zähflüssig. Sobald die Dortmunder den Ball serviert hatten, zogen sie sich in die eigene Küche zurück. Appetitlos schoben die Essener Abwehrspieler den Ball an der Mittellinie hin und her wie ein altes Stück Ciabatta-Brot, auf das auch der Rest der Mannschaft gerne verzichtete. Die meisten RWE-Spieler hatten anscheinend schon zu Hause gegessen und hielten lieber ihr Verdauungsschläfchen, als sich für trocken Brot ein Bein auszureißen. In der Schlussphase konnten die Gäste sogar froh sein, dass die Dortmunder Kellner ihnen keine Tomatensoße auf die weiße Weste kippten.
So blieb es bei der Fortsetzung der Spaghetti-Serie mit dem dritten Auswärts-0:0 in Folge. Bitter enttäuscht verließen die RWE-Fans das Stadion. Sie waren von den Dortmunder Küchen-Mafiosi mit einem Umbau reingelegt worden. Das "Stadion Rote Erde" war keine Pommesbude mehr, sondern der Katzentisch im "Ristorante Stadio Westfalio", wo an diesem Wochenende Gelsenkirchener Gäste bevorzugt bedient wurden.
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