Reading ... (The Hawkline Monster)
is like watching a movie
you believe it as long as it happening.
Bruce Cook
1
Sie kauerten mit ihren Gewehren in dem Ananasfeld
und beobachteten, wie ein Mann seinem Sohn das Reiten beibrachte.
Es war Sommer 1902 auf Hawaii.
Sie hatten schon lange nichts mehr gesagt. Sie
kauerten einfach da und beobachteten den Mann und den Jungen und
das Pferd. Was sie sahen, machte sie nicht glücklich.
»Ich kann nichts tun«, sagte Greer.
»Er ist schon ein Schweinehund«,
sagte Cameron.
»Ich kann doch einen Mann nicht erschießen,
der gerade seinem Sohn das Reiten beibringt«, sagte Greer.
»Ich bin nicht so gemacht.«
2
Einer der Loganbrüder saß in einem
Sessel und trank eine Dose Bier. Der zweite lag auf dem Bett in
dem billigen Hotelzimmer und las ein Comicheft. Von Zeit zu Zeit
lachte er laut auf. Die verschlissene Tapete sah aus wie die Haut
einer Schlange. Sein Lachen klapperte von den Wänden zurück.
Der dritte Bruder ging im Zimmer auf und ab,
was allein schon ein Kunststück war, weil das Zimmer so klein
war. Er war empört, daß sein Bruder über das Comicheft
lachte. Er fand, sein Bruder sollte seine Zeit nicht mit so liederlichen
Zeug verschwenden.
»Wo sind denn bloß diese gottverdammten
Bowlingtrophäen?« rief er.
Der Loganbruder auf dem Bett ließ vor
Überraschung sein Comicheft fallen, und der andere, der Bier
trank, hielt die Dose mitten auf dem Weg zu seinem Mund an und
verwandelte sie in die Statue einer Bierdose.
Sie starrten ihren Bruder an, der immer noch
das Unmögliche tat und in dem winzigen Zimmer auf und ab
ging.
3
»Das ist eine Tatwaffe«, sagte Rink
und ließ den Brieföffner auf den Schreibtisch fallen.
»Das Ding hat heute morgen im Rücken einer Prostituierten
gesteckt. Keine Spuren. Nur ihre Leiche in einem Hauseingang und
das hier.«
»Der Mörder war wahrscheinlich ein
bißchen durcheinander«, sagte ich. »Jemand hätte
ihn in einen Schreibwarenladen bringen und ihm den Unterschied
zwischen einem Briefumschlag und einer Nutte erklären sollen.«
»Das Hawkline Monster« (1) ist 1974
der erste neue Roman nach dem Bestseller »Trout Fishing«,
denn »Die Abtreibung« gehört noch zu der Reihe,
die bis 1966 durch den Options-Vertrag mit Grove Press entstanden
ist.
Der Originaluntertitel »A Gothic Western«
zeigt, wo es für Richard Brautigan in den 70ern lang geht.
Er durchkämmt die Unterhaltungsliteratur, schreibt Bücher
wie B-Movies, Bücher, nach denen man problemlos Comic Strips
zeichnen kann. Solche Bücher passen allerdings nicht in das
Medienbild von der literarischen Stimme der Hippie-Generation.
1
Miss Hawkline saß nackt auf dem Fußboden
eines Zimmers, das voller Musikinstrumente und Petroleumlampen
war, die nur ganz schwach brannten. Miss Hawkline saß neben
einem Cembalo. Auf den Tasten des Cembalos lag ein ganz ungewöhnliches
Licht, und das Licht warf einen Schatten.
Draußen heulten Koyoten.
Das Licht der Lampen warf die verzerrten Schatten
von Musikinstrumenten auf den Körper Miss Hawklines, auf
dem sie exotische Muster bildeten, und im Kamin brannte ein großes
Holzfeuer. Das Feuer sprengte fast alle Proportionen, aber es
mußte sehr groß sein, weil das Haus sehr kalt war.
Es klopfte an der Tür.
2
John sperrte die Wohnzimmertür auf, und
Pat ging an ihm vorbei ins Zimmer. Der dunkle Umriß Willards
hob sich wie der Umriß einer Zwergpalme von der Wand ab,
und die Bowlingtrophäen schimmerten in ihrem religiösen
Licht.
Das Klick des Lichtschalters verhalf
von einem Augenblick zum andern Willard und den Trophäen
zu ihrer vollen Gegenwart, und sie erstrahlten in ihrer ganzen
Pracht.
Willard sah merkwürdig aus. Manchmal änderte
sich der Ausdruck seines Gesichts. Er war sehr geschickt und kunstvoll
gemacht.
»Grüß dich, Willard«,
sagte Pat. »Greta Garbo hätte dir sehr gut gefallen.
Hey, wir hätten Willard mitnehmen sollen; dann hätte
er sich Greta Garbo ansehen können.«
»Willard und seine Bowlingtrophäen«
(2) aus dem Jahr 1975 ist ein sehr vielseitiges Buch. Es ist visuell,
komisch, virtuos, traurig, kritisch und es hat einen wahren Kern.
Willard und seine Bowlingtrophäen sind keine Erfindung von
Richard Brautigan. Willard ist ein Vogel aus Pappmaché
des Künstlers Stanley Fullerton, den sich in einer Art Spiel
Richard Brautigan und sein langjähriger Freund Price Dunn
gegenseitig zur Aufbewahrung unterschieben (Abbott, S.17). Die
Sammlung von Bowlingtrophäen gehört ebenfalls Price
Dunn.
Auch kennt Richard Brautigan jemanden, der die
Griechische Anthologie besitzt, für die sich die traurigste
Gestalt des Buches so begeistert: Er selbst besitzt diese Sammlung
alter griechischer Gedichte und Fragmente.
3
»Ich möchte, daß Sie aus dem
Leichenschauhaus eine Leiche stehlen.«
Sonst sagte sie nichts.
Sie hatte sehr blaue Augen. Sogar im Halbdunkel
des Wagens war das Blau ihrer Augen leicht zu sehen. Ihre Augen
blickten mich unverwandt an. Sie warteten auf eine Reaktion von
mir. ...
»Klar«, sagte ich. »Wenn das
Geld stimmt, leg ich Ihnen morgen auch Abraham Lincolns Leiche
zusammen mit der Morgenzeitung vor die Haustür.«
Das war genau das, was sie hören wollte.
...
»Wie finden Sie denn tausend Dollar?«
fragte sie.
»Für tausend Dollar«, sagte
ich, »bring ich Ihnen einen ganzen Friedhof.«
»Träume von Babylon« (3) ist 1977
das letzte Spiel Richard Brautigans mit der Unterhaltungsliteratur.
Diese Privatdetektiv-Parodie bietet wahrscheinlich den kaputtesten
aller kaputten Privatdetektivfiguren. Seinen literarischen Ruf
hat er damit sicher nicht wiederhergestellt. Keith Abbott zitiert
aus einer Kritik »... this ramshackle mass of bad jokes,
stupid ideas, and plain nonsense.« (S.74).
Die 70er Jahre laufen für Richard Brautigan
nicht gut. Er bietet nicht das, was man von ihm nach »Trout
Fishing« erwartet hat. Er schreibt komische Bücher,
was dazu führt, dass niemand ihn mehr ernst nimmt, selbst
im Krieg nicht ...
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